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     Letzte Aktualisierung: 10. 02. 20


In deinen Händen

Du als Leser entscheidest über den Ausgang dieser Geschichte. Was aus Linus und Raphael, den beiden Hauptfiguren, wird, liegt sozusagen in deinen Händen. Also triff eine wohlüberlegte Wahl!

Einleitung

„Kannst du nicht einmal fünf Minuten ruhig auf deinem Platz bleiben, Linus?“, fragte mich meine Deutschlehrerin Frau Nansen genervt. Dabei erschienen ein paar unschöne Falten in dem ansonsten noch recht junggebliebenen Gesicht der Mittvierzigerin. Ihr blonder Pferdeschwanz unterstrich ihren jugendlichen Look.
„Na klar könnte ich das, Frau Nansen. Aber das macht nicht soviel Spaß“, antwortete ich ganz offen und ehrlich, wie es eben meine Art war. Ihre Art aber war es, streng und humorlos zu sein. Das zeigte sich auch jetzt wieder. Ihr Gesichtsausdruck blieb so finster und dunkel wie eine unbenutzte Schultafel. Offensichtlich mochte sie weder Offenheit noch Ehrlichkeit.
Also entschied ich mich, für sie zu lügen. Vielleicht hatte ich damit ja mehr Erfolg bei ihr. „Okay, Frau Nansen. Ich werde von nun an die ganze Zeit ruhig bleiben und mich nicht von meinem Stuhl bewegen.“
Sie drehte ab. Es hatte funktioniert. Ich hatte meine 'Ruhe'. Oder besser gesagt: Ich konnte nun wieder in Ruhe Unruhe verbreiten. Am liebsten tat ich dies mit meinem besten Kumpel Emre, der in der vorletzten Reihe und somit eine Reihe vor mir saß. Um mich mit ihm zu unterhalten, musste ich weder besonders laut sprechen noch mich allzu sehr verrenken. Da er etwas versetzt vor mir saß, musste auch er sich bloß ein wenig zur Seite drehen, um sich mir zuzuwenden und meine Botschaften zu empfangen. Dieses Mal handelte es sich um die Karikatur eines Mädchens. Die rote zweieckige Brille, die das abgebildete Mädchen mit dem blonden geflochtenen Zopf trug, sollte deutlich machen, dass Kathrin damit gemeint war. Für meinen Geschmack hatte sie etwas zu oft den Durchblick. Ständig hatte diese Streberin die richtige Antwort und ließ uns wie hohle Nüsse dastehen. Deshalb hatte ich ihrem Abbild eine schwarze Brille verpasst. Von ihrem Mund ging eine Sprechblase aus. Darin stand: „Hey. Wer hat das Licht ausgemacht?“ Als Emre die Zeichnung sah, musste er laut lachen. Damit zog er sofort den prüfenden Blick von Frau Nansen auf sich. Blitzschnell ließ ich das Bild wieder verschwinden, indem ich mein Deutschheft darauf legte.
„Ihr habt noch fünf Minuten, um die Zusammenfassung der Kurzgeschichte zu beenden“, verkündete Frau Nansen, statt Emre nach dem Grund für seine Belustigung zu fragen. Überhaupt schien sie nicht besonders interessiert daran zu sein zu erfahren, was Emre und mir wirklich Spaß machte. Mädchenkram wie die Kurzgeschichte, die wir gerade lesen sollten, war es sicherlich nicht. Da war dieses nette Mädchen. Auch wenn sie nicht unbedingt mein Typ war, hatte sie diesen Kotzbrocken namens Freund nicht verdient. Der war aber auch ein Arsch. Ständig hat er sie gedisst und sie vor seinen Freunden lächerlich gemacht. Einmal hat er seinen Kumpels ein Foto von ihr geschickt, das ihren nicht gerade zierlichen Po ziemlich unvorteilhaft zeigte. Ich hätte dem Typen am liebsten in seinen Hintern getreten. Und zusammen mit Emre hätte ich es auch mit seinen Kumpels aufgenommen. Wir hätten ihnen einen Kampf geliefert, den sie so schnell nicht wieder vergessen würden. Solche Geschichten hätten wir mal lesen sollten! Dann hätte ich bestimmt auch einiges zu Papier gebracht, was Frau Nansen gefallen hätte. Aber da es nichts wirklich Spannendes zu lesen gab, musste ich mir notgedrungen anderweitig Spannung und Abenteuer suchen.
„Nun lasst mich mal eine Zusammenfassung hören, Kinder!“, forderte uns Frau Nansen schon bald auf. Sofort ging ein Finger in die Höhe.
„Ah, Kathrin! Schön, dass du dich meldest. Ich bin schon sehr gespannt, was du geschrieben hast.“
Dann las die perfekte Kathrin ihre perfekte Zusammenfassung vor. Natürlich erntete sie dafür auch ein dickes Lob von ihrer Lehrerin. Ich hatte die Hoffnung, dass sie nun so zufrieden war, dass sie keinen weiteren Schüler auffordern würde, seine Zusammenfassung zu präsentieren, schon gar nicht mich. Doch kurz darauf hörte ich Frau Nansen sagen: „Und nun möchte ich noch einen Jungen hören!“
Gleichberechtigung fand ich prinzipiell zwar in Ordnung, aber man konnte es auch übertreiben. In meinen Augen tat dies Frau Nansen. Nein, gute Frau, Sie tun uns Jungs damit keinen Gefallen!
„Raphael! Lies du mal deinen Text vor!“, sagte sie schließlich zu dem Jungen, der neben mir saß.
Ich verstand nicht, wieso sie gerade ihn aufrief. Inzwischen war doch allen bekannt, dass er nur sehr ungern etwas von sich gab. Er war sehr verschlossen und hatte kaum Kontakt mit irgendwelchen anderen Schülern aus der Klasse. Auch mit mir hatte er nur wenige Worte gewechselt, obwohl wir jetzt schon fast ein halbes Jahr nebeneinander saßen. Aber solange ich Emre in meiner Nähe hatte, nahm ich eine Spaßbremse wie den Raphael neben mir gerne in Kauf. Es versteht sich von selbst, dass ich ihn mir nicht als Sitznachbarn ausgesucht hatte. Vielmehr war es die Idee von Frau Nansen, die sich offenbar davon erhofft hatte, sie könne meine Unterrichtsstörungen durch einen ruhigen Schüler wie Raphael reduzieren.
Wie nichts anders zu erwarten war, weigerte sich Raphael, seinen Text vorzulesen. Auch ihre Drohung, ihn für seine Weigerung mit einer schlechten Note zu bestrafen, zeigte keine Wirkung. Also musste ein anderes Opfer her! Wie ein Geier lauerte Frau Nansen auf ein Zeichen von uns Jungen. Aber niemand der Jungs wollte sich aufdrängen – nicht einmal der schlaue Nick, auf den man sich eigentlich immer verlassen konnte. Er hatte immer eine passende Antwort parat. Und das gewöhnlich sehr schnell. Weil er außerdem ein guter Sportler war, nannten wir ihn manchmal Quick-Nick. Aber heute kam auch von ihm nichts, sodass schließlich eine bedrohliche Stille eintrat. Ich spürte, dass irgendjemand etwas dagegen tun musste. Irgendjemand, der sich mit der Zerstörung von Ruhe bestens auskannte. Dies war ein Job für den Krachmacher, den Klassenclown, den kreativen Krawallbruder. Kurz gesagt, dies war ein Job für mich. Also sagte ich: „Frau Nansen, sollten Sie uns jetzt nicht die Hausaufgaben sagen? Es klingelt doch bestimmt gleich zur Pause.“
Wie fast alle Schüler in der Klasse hatte ich zwar keine Uhr, dafür aber ein äußerst ausgeprägtes Zeitgefühl. Mein Instinkt sagte mir jedenfalls, dass wir schon viel zu lange mit der Kurzgeschichte gequält wurden.
Ein Blick auf ihre Uhr verriet der Deutsch- und Englischlehrerin, dass ich richtig geraten hatte. Natürlich hätte sie dies nie öffentlich zugegeben. Also ging sie stumm zurück zu ihrem Pult, nahm ihr Buch in die Hand und sagte: „Bitte notiert euch die Hausaufgaben!“
Sofort holte ich mein Hausaufgabenheft heraus und schrieb auf, was Frau Nansen uns diktierte. Ja, ich konnte auch ganz brav sein, jedenfalls solange man auf meine Wünsche und Anregungen einging. Ding Dong! Das war der Gong! Mittagspause!
Zufrieden schaute ich mich im Klassenraum um. Kommt, Leute! Gebt mir eure bewundernden Blicke! Ich bin doch euer Held! Ich habe Frau Nansen mal wieder erfolgreich manipuliert.
Ich erblickte Mehmet, einen Sportsfreund von Emre. Er murrte und murmelte, dass er heute noch Training habe. Und dann stand ja morgen auch noch die Mathe-Arbeit an. Wie sollte er da Zeit für Hausaufgaben finden? Na ja, dachte ich mir, als ich ihn musterte, Begeisterung sah irgendwie anders aus. Dann warf ich einen Blick auf meinen Nachbarn Raphael. Bei ihm konnte ich, wie ich es nicht anders erwartet hatte, keine Regung erkennen. Stattdessen sah ich, dass er auch etwas gezeichnet hatte. Zur Hälfte war es mit einem seiner Hefte bedeckt, sodass ich nur einen Ausschnitt sehen konnte. Was ich erkennen konnte, war eine Art Soldat, der eine dunkelgrüne Uniform und ein schwarzes Gewehr trug. Daraus kam blutrotes Feuer. Wen es traf, konnte ich leider nicht sehen. Aber wen interessierte schon, was dieser Nerd zeichnete?
Während er seine Sachen einpackte, stand ich unschlüssig da und überlegte. Sollte ich ihn fragen, was er da gemalt hatte? Sollte ich versuchen herauszufinden, warum er so etwas Gewaltverherrlichendes gezeichnet hatte?

Ja >>>   Nein >>>

 

Der Literaturminister rät: Trauen Sie keinem Zitat, das Sie nicht selbst aus dem Zusammenhang gerissen haben.